Die Kartellrechtsnovelle 2021 brachte einige Neuerungen. Unter anderem wird die Geldbußen-Privilegierung für Kartellverstöße von Unternehmervereinigungen mit gesetzlicher Mitgliedschaft aufgehoben. Dieser Gesetzesänderung kommt im Lichte der jüngsten Rekordstrafen besondere Bedeutung zu.

Anfang September ist das novellierte österreichische Kartellgesetz in Kraft getreten. Anlass dazu war die verpflichtende Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1 (die „ECN+ Richtlinie“), die eine Stärkung der nationalen Wettbewerbsbehörden und der länderübergreifenden Zusammenarbeit vorsieht. Deutlich praxisrelevanter für Unternehmen sind jedoch die inhaltlichen Änderungen, insbesondere auch die im Zusammenhang mit den Geldbußen.

Im Kern des kartellrechtlichen Geldbußen-Systems steht die Androhung einer Verwaltungsstrafe in Höhe von bis zu zehn Prozent des letztjährigen weltweiten Konzernumsatzes für jedes Unternehmen, dass vorsätzlich oder fahrlässig an einem kartellrechtswidrigen Verhalten beteiligt war. Die konkrete Höhe einer Geldbuße ist stets einzelfallabhängig; sie ist insbesondere abhängig von Schwere und Dauer des Kartellverstoßes.

 

Hohe Geldbußen

Bereits in der Vergangenheit mussten Unternehmen mit Strafen in Millionenhöhe rechnen, wenn sie gegen das Kartellverbot verstoßen haben. Das bislang höchste Bußgeld in Österreich betrug EUR 30 Mio (Lebensmittelbranche, 2015). Nun hat die Bundeswettbewerbsbehörde („BWB“) jedoch nach umfangreichen Ermittlungen zu möglichen Absprachen in der österreichischen Bauwirtschaft bereits Bußgeldanträge an das Kartellgericht gestellt, die die bisherige Rekordstrafe deutlich übersteigen. Außerdem hat ein österreichischer Baukonzern Ende September 2021 bereits eine Einigung mit der BWB erzielt, seine Schuld im „Baukartell“ eingeräumt und sich zur Zahlung eines Bußgeldes von über EUR 62 Mio verpflichtet.

 

Verschärfung für Unternehmervereinigungen

Unternehmervereinigungen sind Vereinigungen von selbstständigen Unternehmern unabhängig von ihrer Rechtsform oder ihrer Organisation, wie etwa Vereine, Verbände, Genossenschaften, Kammern oder Interessengemeinschaften. Das Kartellverbot umfasst auch wettbewerbswidrige Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und sanktioniert sie gleich wie Kartellverstöße einzelner Unternehmen. Als Bemessungsgrundlage wird jedoch nicht der – regelmäßig geringe – Umsatz solcher Vereinigungen, sondern die Summe der letztjährigen weltweiten Konzernumsätze aller am relevanten Markt tätigen Mitglieder der Vereinigung herangezogen.

Das Kartellgesetz sah bislang eine Ausnahme dieser Zusammenrechnungsregel für Unternehmervereinigungen mit gesetzlicher Mitgliedschaft vor (dies sind insbesondere die Wirtschaftskammern und ihre Teilorganisationen sowie auch andere Kammern). Diese Privilegierung wurde mit der Kartellrechtsnovelle 2021 gestrichen, weil eine entsprechende Ausnahme auf EU-Ebene nicht vorgesehen ist. Diese Gesetzesänderung führt nun dazu, dass die BWB bei der Sanktion wettbewerbswidriger Beschlüsse von Unternehmervereinigungen (vorsätzlich oder auch fahrlässig!) von einer mitunter extrem hohen Berechnungsgrundlage ausgehen muss: Denn die Summe der letztjährigen weltweiten Konzernumsätze aller am relevanten Markt tätigen Mitglieder einer (Teilorganisation einer) Kammer oder Interessenvertretung kann unter Umständen dem österreichischen Gesamtmarktvolumen eines konkreten Marktes entsprechen.

Adressat einer solchen Geldbuße ist zunächst die Unternehmervereinigung selbst. Kann diese die Geldbuße nicht (vollständig) einbringen, sind subsidiär – in einem abgestuften Verfahren – die Mitglieder der Vereinigung zur Zahlung verpflichtet. Ausgenommen von dieser subsidiären Zahlungspflicht sind nur solche Unternehmen, die den kartellrechtswidrigen Beschluss der Unternehmervereinigung nicht umgesetzt haben (ohne entsprechende Dokumentation mitunter schwer beweisbar!) und

  • denen die Zuwiderhandlung entweder nicht bekannt war (Beweisschwierigkeiten!) oder
  • die sich aktiv vor Einleitung des wettbewerbsrechtlichen Verfahrens davon distanziert haben (aktive dokumentierte Distanzierung erforderlich!).

 

Weitere wesentliche Neuerung

Kartellrechtswidrige Absprachen oder abgestimmte Verhaltensweisen konnten schon bisher unter gewissen Voraussetzungen vom Kartellverbot ausgenommen werden. Nunmehr ist ausdrücklich klargestellt, dass unternehmerische Kooperationen zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft vom Kartellverbot freigestellt werden können. Der Gesetzgeber stützt diese Ausnahme darauf, dass eine angemessene Beteiligung der Verbraucher am Effizienzgewinn anzunehmen sei, wenn dieser „zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft wesentlich beiträgt“.

Dieser erweiterte wettbewerbsrechtliche Handlungsspielraum schafft für Unternehmen interessante horizontale Kooperationsmöglichkeiten, wie etwa eine gemeinsame Investition in die Nutzung neuer nachhaltiger Technologien. Allerdings ist hier entsprechende Vorsicht geboten: Eine solche Ausnahme besteht nur auf nationaler, nicht aber auf europäischer Ebene. Sollte daher etwa eine Kooperation zwischen Wettbewerben zu nachhaltigen Zwecken dem EU-Kartellrecht unterliegen (was in zahlreichen Fällen aufgrund eines zumindest abstrakten grenzüberschreitenden Bezugs zutreffen wird), kann das österreichische Kartellrecht und damit auch die neue Ausnahmebestimmung nicht in Anspruch genommen werden. Diesfalls besteht die Gefahr eines fahrlässigen Kartellverstoßes, weshalb sich eine fundierte kartellrechtliche Abklärung im Vorhinein als unerlässlich erweist.

 

Fazit

Kartellrechtliche Verstöße (vorsätzlich sowie auch fahrlässig) stellen ein erhebliches Compliance-Risiko dar. Besondere Vorsicht ist aus den vorstehend dargelegten Gründen bei Beschlüssen von Unternehmervereinigungen geboten sowie im Allgemeinen auch bei der Verhaltensabstimmung und beim Informationsaustausch in einem solchen Rahmen. Abgesehen von den Geldbußen führen Kartellverstöße regelmäßig zu Imageschäden, hohen Verfahrenskosten sowie auch zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit von kartellrechtswidrigen Verträgen. Überdies kann dadurch eine Flut von Schadenersatzansprüchen ausgelöst werden. All diese potenziellen Konsequenzen stellen gute Gründe dar, der Kartellrechts-Compliance einen entsprechenden Stellenwert im Unternehmen zuzumessen.