Legal Insights
Informationspflichten bei Mitarbeiterinnenbeteiligung
15. November 2023
Eine der wesentlichen Neuerungen der FlexCo soll die Möglichkeit der Ausgabe von stimmrechtslosen Unternehmenswertanteilen sein. Ausweislich der Erläuterungen soll damit insbesondere die Beteiligung von Mitarbeiterinnen an der Gesellschaft gefördert werden. Dies ist vor allem in Zusammenschau mit der geplanten Einführung der steuerlichen Privilegien des im Rahmen des Start-Up-Förderungsgesetzes neu eingeführten § 67a EStG zu sehen. In der Praxis war die Ausgabe von (echten) Geschäftsanteilen an Mitarbeiterinnen bislang nämlich insbesondere aus den folgenden Gründen äußerst unüblich:
- Die Gewährung von (echten) Geschäftsanteilen im Rahmen der Mitarbeiterinnenbeteiligung hätte steuerlich regelmäßig zu „dry income“ geführt.
- Nach § 39 Abs 2 GmbHG steht jeder Gesellschafterin zumindest eine Stimme zu.[1]
In der Praxis wurden Mitarbeiterinnen daher typischerweise sogenannte „Phantom Shares“ gewährt – also schuldrechtliche Ansprüche bei Exit am Erlös zu partizipieren.
Da die geplante Erleichterung der Mitarbeiterinnenbeteiligung gerade bei Arbeitnehmerinneninteressenverbänden Skepsis auslöste, enthält der aktuelle Entwurf des FlexKapGG im Fall der Ausgabe von Unternehmenswertanteilen an Mitarbeiterinnen einige Schutzbestimmungen zugunsten der Mitarbeiterinnen. Eine davon ist in § 11 Abs 1 FlexKapGG geregelt, der vorsieht, dass Mitarbeiter vor der erstmaligen Übernahme oder dem erstmaligen Erwerb eines Unternehmenswertanteils von der Gesellschaft über die Natur des Unternehmenswertanteils und die wesentlichen Punkte des Gesellschaftsvertrags in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu belehren sind. Im Folgenden wird kurz auf folgende Punkte eingegangen:
- Adressatenkreis
- Inhalt und Umfang der Informationspflicht
- Form der bereitzustellenden Information und
- Rechtsfolgen der Verletzung der Informationspflicht
Dabei ist stets zu beachten, dass der Zweck der Bestimmung zweifelhaft und die Umsetzung verunglückt wirkt. Dies ist insofern bei der Auslegung von § 11 Abs. 1 FlexKapGG zu berücksichtigen, als eine extensive Interpretation der Pflichten nicht angezeigt ist.
1. Adressatenkreis
Der Ministerialentwurf zum FlexKapGG normiert die Informationspflicht bei Ausgabe von Unternehmenswertanteilen an „Mitarbeiterinnen“. Unzweifelhaft sind damit Arbeitnehmer (im arbeitsvertragsrechtlichen Sinn) gemeint. Die Erläuterungen nennen daneben den „freien“ Dienstvertrag als relevanten Vertragstyp. Angeregt wurde mitunter, den Begriff der „Mitarbeiterin“ durch den des „Beschäftigten“ zu ersetzen.
Ungeachtet dieser Begrifflichkeiten stellt sich die Frage, ob § 11 Abs. 1 FlexKapGG alle freien Dienstnehmerinnen erfasst. Grundsätzlich sind arbeitsrechtliche Bestimmungen auf den freien Dienstvertrag nämlich nicht analog anwendbar. Die mangelnde analoge Anwendung gilt für all jene arbeitsrechtlichen Bestimmungen, deren Zweck der Schutz des persönlich Abhängigen ist. Dies spricht gegen eine Einbeziehung aller freien Mitarbeiterinnnen in den Begriff der „Beschäftigten“. Abgestellt sollte vielmehr auf das Kriterium der Arbeitnehmerinnenähnlichkeit werden.
2. Inhalt und Umfang der Informationspflicht
Gem. § 11 Abs. 1 FlexKapGG hat die Gesellschaft Mitarbeiterinnen über die Natur des Unternehmenswertanteils und die wesentlichen Punkte des Gesellschaftsvertrages in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu belehren. Die erforderlichen Informationen umfassen demnach
- die konkreten Voraussetzungen für den Erwerb der UWA (Kaufpreis und „Vesting“); und
- die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Mitarbeiterinnen-Beteiligungsprogramms.
Deutlich breiter würde dieser Umfang, wenn man davon ausgeht, dass für Punkte des Gesellschaftsvertrages relevante Hintergrundinformationen bzw. Inputfaktoren auch von der Informationspflicht erfasst sind. Muss die Gesellschaft etwa im Hinblick auf eine Regelung im Gesellschaftsvertrag zur Gewinnausschüttung auf die erwartete Profitabilitätssituation der Gesellschaft eingehen? Solche „Hintergrundinformationen“ sind vom Umfang der Informationspflicht allerdings nicht erfasst. Die Systematik des § 11 Abs. 1 FlexKapGG spricht auch gegen die Notwendigkeit, Informationen zu Risikofaktoren bereitstellen zu müssen.
3. Form
Die Information ist Mitarbeiterinnen nach dem Gesetzeswortlaut in nachvollziehbar gestalteter Weise auszuhändigen. Hinsichtlich der Form verlangen die Erläuterungen die Schriftlichkeit, sodass die Informationsunterlage durch Vertreter der Gesellschaft eigenhändig zu unterschreiben oder qualifiziert elektronisch zu signieren ist. Eine Unterfertigung durch Prokuristen oder sonstige rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte ist zulässig.
Die (ergänzende) Erörterung der schriftlich zur Verfügung gestellten Informationen im Rahmen eines Gesprächs erscheint sinnvoll. Eine entsprechende Verpflichtung besteht allerdings nicht.
4. Rechtsfolgen der Verletzung der Informationspflicht
Das FlexKapGG normiert für den Fall einer Verletzung der Informationspflicht gem. § 11 Abs. 1 keine ausdrücklichen Rechtsfolgen. Als zivilrechtliche Rechtsfolgen scheinen ganz allg. (i) Unwirksamkeit, (ii) Rücktritt, (iii) Kündigung, (iv) Anpassung und (v) Schadenersatz denkbar, wobei insbesondere etwaige Schadenersatzansprüche praktisch relevant werden könnten, soweit man die entsprechende Möglichkeit bejaht.
Das Bestehen einer Pflicht zur Leistung von Schadenersatz an Mitarbeiterinnen für Schäden, welche durch eine Verletzung der Informationspflicht verursacht wurden, hängt insbesondere davon ab, ob § 11 Abs. 1 als Schutzgesetz i. S. d. § 1311 AGBG zu verstehen ist. Die folgenden Aspekte sprechen gegen die Qualifikation von § 11 Abs. 1 FlexKapGG als Schutzgesetz: (i) der eingeschränkte Informationsumfang, der keine umfassende Basis für eine wohlinformierte (Investitions-)Entscheidung der Mitarbeiterin darstellt, (ii) die Einmaligkeit der Informationsbereitstellung bei erstmaligem Erwerb, (iii) die (gesetzes-)typische „Unentgeltlichkeit“ des Erwerbs, (iv) der unklare Normzweck und darauf aufbauend (v) die mangelnde verhaltenssteuernde Wirkung eines etwaigen Schadenersatzanspruches.
[1] Dazu kommt, dass die Mindesthöhe des Geschäftsanteils von EUR 70 beim Mindeststammkapital von EUR 35.000 eine Beteiligung von zumindest 0,2 % am Stammkapital der Gesellschaft vermittelt. Dies wird in § 9 Abs. 2 FlexKapGG adressiert, wonach der geringste Nennbetrag nur mehr 1 Cent betragen muss. Das (zeit- und kostenintensive) Formerfordernis des Notariatsaktes bei Gewährung von (echten) Geschäftsanteilen – das insbesondere bei Vesting zu Schwierigkeiten führt – soll durch § 12 FlexKapGG eingeschränkt werden.
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