Warum geregelte Vergütungsstrukturen in Zukunft unverzichtbar sein werden.

Die Richtlinie (EU) 2023/970 des Europäischen Parlaments und Rates vom 10. Mai 2023 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen (in weiterer Folge „Entgelttransparenz-Richtlinie“ genannt) sieht unter anderem umfassende Auskunfts- und Berichtspflichten für Unternehmen – sowohl gegenüber Arbeitnehmer:innen und Bewerber:innen als auch gegenüber (zu schaffenden) staatlichen Einrichtungen – vor. Angesichts der detaillierten Vorgaben durch die Richtlinie steht bereits jetzt fest, dass auf Unternehmen ein erheblicher Umsetzungsaufwand zukommt.

Inhalt: 

Zielsetzung der Richtlinie

Die Entgelttransparenz-Richtlinie strebt an, durch erhöhte Transparenz sowie schlagkräftigere Durchsetzungsmechanismen den Grundsatz „gleiches Entgelt für gleiche Arbeit“ auch tatsächlich in den Mitgliedsstaaten zu verwirklichen. Der Geltungsbereich der Richtlinie umfasst neben allen Arbeitnehmer:innen auch Stellenbewerber:innen. Die Richtlinie sieht Verpflichtungen gleichermaßen für Unternehmen des privaten wie des öffentlichen Sektors vor.

Entgelttransparenz gegenüber Stellenbewerber:innen

Um Entgeltgefälle weitgehend im Vorhinein hintanzuhalten, greifen einige Verpflichtungen bereits vor Begründung des Dienstverhältnisses.

So sind – mit Hinblick auf Gehaltsverhandlungen – folgende Informationen bereitzustellen:

  • Das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne, basierend auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien
  • Die relevanten Bestimmungen eines anzuwendenden Kollektivvertrags

Während in Österreich geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen bereits seit Längerem gesetzlich verankert sind, gehen diese Informationspflichten weiter – sie verlangen die Angabe des tatsächlich zu erzielenden Gehalts (oder dessen Spanne), statt einer bloßen Information über die Mindesteinstiegsgehälter. Untersagt ist Arbeitgeber:innen hingegen die Frage nach der Gehaltsentwicklung der Bewerber:innen.

Informationen an Arbeitnehmer:innen in bestehenden Dienstverhältnissen

Während des aufrechten Dienstverhältnisses müssen Unternehmen ihren Arbeitnehmer:innen unaufgefordert Informationen über die Kriterien zur Festlegung des Entgelts sowie dessen Höhe und Entwicklung bereitstellen. Nach der Richtlinie besteht die Option, Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten von dieser Verpflichtung auszunehmen. Ob der österreichische Gesetzgeber davon Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten.

Arbeitnehmer:innen wird weiters das Recht eingeräumt, Auskünfte über ihre individuelle Entgelthöhe sowie die durchschnittlichen Entgelthöhen innerhalb des Unternehmens zu verlangen und diese innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu erhalten. Diese Auskünfte sind aufgeschlüsselt nach Geschlecht und vergleichbaren Arbeitnehmer:innengruppen zu erteilen. Über dieses Auskunftsrecht ist jährlich zu informieren. Unternehmen sind angehalten, ihre HR-Abteilungen auf diese Verpflichtungen vorzubereiten.

Umfassende Reporting-Verpflichtungen

Als wesentlicher Teil der Entgelttransparenz-Richtlinie ist das Instrument der Berichtspflichten für Arbeitgeber:innen, welches schrittweise eingeführt werden soll, zu bewerten. Beginn und Ausmaß der Berichtspflichten hängen dabei von der Beschäftigtenanzahl ab – beginnend mit einer (nachfolgend jährlichen) Berichtspflicht bereits zum 7. Juni 2027 (für das abgelaufene Jahr!) für Unternehmen mit 250 oder mehr Arbeitnehmer:innen. Eine Ausnahme von den Berichtspflichten besteht für Unternehmen mit weniger als 100 Arbeitnehmer:innen. Es bleibt jedoch den Mitgliedsstaaten überlassen, dennoch Berichtspflichten vorzusehen.

Gegenstand dieser Berichtspflichten ist im Wesentlichen das unternehmensinterne Entgeltgefälle, einschließlich:

  • Das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle
  • Das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle bei ergänzenden oder variablen Entgeltbestandteilen
  • Das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle
  • Das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle bei ergänzenden oder variablen Entgeltbestandteilen
  • Der Anteil der Arbeitnehmer:innen, die ergänzende oder variable Entgeltbestandteile erhalten
  • Der Anteil der Arbeitnehmer:innen in jedem Entgeltquartil
  • Das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmer:innen, aufgeschlüsselt nach Grundlohn oder -gehalt sowie nach ergänzenden oder variablen Entgeltbestandteilen

Die vorstehende Aufstellung zeigt, wie umfassend die darzulegenden Informationen sind und macht deutlich, dass die (rechtzeitige) Implementierung eines objektiven, transparenten und geschlechtsneutralen Vergütungssystems unumgänglich sein wird. Ein wesentlicher Unterschied zu den bereits bestehenden Offenlegungsverpflichtungen im Zusammenhang mit den Einkommensberichten liegt darin, dass die Informationen an eine von den Mitgliedsstaaten zu benennende Überwachungsstelle zu übermitteln sind. Im Weiteren werden diese Daten gesammelt und dann auch veröffentlicht.

Gemeinsame Entgeltbewertung

Um der Beseitigung bestehender Entgeltgefälle auch zum Durchbruch zu verhelfen, bedient sich die Entgelttransparenz-Richtlinie eines durchaus potenten Mechanismus – der „gemeinsamen Entgeltbewertung“. Wenn der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Entgelten von Frauen und Männern – innerhalb einer Gruppe von Arbeitnehmer:innen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten – mindestens 5 Prozent beträgt, müssen Arbeitgeber:innen dies rechtfertigen. Können die Unterschiede nicht objektiv und geschlechtsneutral gerechtfertigt und innerhalb von sechs Monaten korrigiert werden, ist eine „gemeinsame Entgeltbewertung“ mit Arbeitnehmervertreter:innen erforderlich. Ziel ist es, Entgeltunterschiede festzustellen, zu korrigieren und zu verhindern. Wie dies in Österreich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten, da derzeit kaum Mitwirkungsrechte des Betriebsrats bei der Entgeltfestsetzung bestehen. Es ist aber durchaus zu erwarten, dass Arbeitnehmervertreter:innen künftig bei bestehenden Entgeltgefällen Einfluss auf die Lohngestaltung haben werden.

Durchsetzungsmechanismen

Um auch die Ansprüche einzelner Arbeitnehmer:innen bzw. Stellenbewerber:innen mit „Biss“ auszustatten, sieht die Entgelttransparenz-Richtlinie einen Katalog an Maßnahmen und Verwaltungsvorschriften vor. Dazu gehören die Implementierung von Schadenersatzansprüchen, Bestimmungen zur Beweislastverteilung in Gerichtsverfahren sowie die Notwendigkeit, „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen“ vorzusehen – für Österreich wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise die Normierung von Verwaltungsstrafen denkbar.

Fazit

Mit Umsetzung der Richtlinie kommen – jedenfalls ab 100 Arbeitnehmer:innen – umfassende neue Reporting-Verpflichtungen auf Unternehmen zu. Auch auf die Einführung individueller Auskunftsrechte sowie auf Änderungen bei den Stellenausschreibungen muss man vorbereitet sein. Um diese Verpflichtungen erfüllen zu können und nicht in die missliche Lage zu kommen, große Entgeltgefälle veröffentlicht zu sehen und verpflichtet zu sein, diese zu sanieren, müssen Unternehmen bereits jetzt beginnen, bestehende Vergütungssysteme auf ihre Kompatibilität mit den strengen Anforderungen der Richtlinie zu überprüfen bzw. entsprechende Vergütungsregelungen überhaupt erst zu schaffen.

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