Der OGH hat sich jüngst mit der Frage beschäftigt, inwiefern die Errichtung einer Photovoltaikanlage durch einen Miteigentümer am Dach eines Mehrparteienhauses schutzwürdige Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümer beeinträchtigt.

Das Thema Photovoltaikanlagen und die damit im Zusammenhang stehenden Fragen sind aktuell – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der unabhängigen Energieversorgung – von großem Interesse. Bei der Errichtung solcher Anlagen sind neben zahlreichen technischen Aspekten freilich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Insbesondere bei Mehrparteienhäusern bzw Wohnungseigentümergemeinschaften kann die Errichtung einer Photovoltaikanlage an den rechtlichen (Zustimmungs-)Voraussetzungen scheitern.

Inanspruchnahme von Allgemeinflächen durch einen Eigentümer

In der Entscheidung 5 Ob 137/21 i hat sich der OGH mit der geplanten Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft durch eine Wohnungseigentümer (der rund 34% der Miteigentumsanteile hält) beschäftigt. Der Antragsteller hatte beabsichtigt, auf einer Teilfläche der Westseite des Daches im Ausmaß von 187,69 m² eine Photovoltaikanlage zu errichten. Im Falle einer solchen Inanspruchnahme würden als geeignete Restfläche lediglich 69,03 m² des Westdaches für andere Zwecke (durch andere Wohnungseigentümer oder die Eigentümergemeinschaft) verbleiben. Auf der Ostseite des Daches hätten hingegen erst Adaptierungsarbeiten vorgenommen werden müssen, bevor die Montage einer Photovoltaikanlage möglich gewesen wäre.

Da zwei weitere Wohnungseigentümer (die zusammen etwa 29% der Miteigentumsanteile halten) ebenfalls die Errichtung einer solchen Anlage am Dach beabsichtigten und folglich ihre Zustimmung zu den geplanten Maßnahmen verweigerten, begehrte der Antragsteller die Zustimmung der Antragsgegner zur Errichtung der von ihm geplanten Photovoltaikanlage gemäß § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 WEG zu ersetzen.

Zustimmung zu Änderungen

Sofern die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer möglich ist, bedürfen Änderungen gemäß § 16 Abs 2 WEG der Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer. Unter gewissen Voraussetzungen kann eine nicht erteilte Zustimmung gerichtlich ersetzt werden. Das ist dann der Fall, wenn die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, insbesondere keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge hat (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG). Werden für eine solche Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen, wobei bei gewissen privilegierten Änderungen das Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen vermutet wird und die Zustimmung aus diesem Grund jedenfalls nicht verweigert werden darf (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG).

Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen / Ungleichbehandlung

Die fehlende Zustimmung kann dann demnach nicht ersetzt werden, wenn schutzwürdige Interessen anderer Miteigentümer durch die geplante Änderung beeinträchtigt werden. Eine Interessenabwägung ist an dieser Stelle laut OGH hingegen nicht vorzunehmen. Voraussetzung ist lediglich, dass eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt und die Änderung – bei objektiver Betrachtung – mit wesentlichen Interessen der anderen Miteigentümer kollidiert.

Nach der Rechtsprechung des OGH kann die übermäßige Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen der Liegenschaft zum Nachteil der anderen Wohnungseigentümer als Ungleichbehandlung und folglich als empfindlicher Eingriff in deren Rechtssphäre anzusehen sein. Nicht einmal die fehlende Notwendigkeit der Nutzung der betroffenen allgemeinen Teile durch andere Wohnungseigentümer würde die alleinige Nutzung durch einen Wohnungseigentümer rechtfertigen.

Bei der Frage, ob eine Änderung zulässig ist oder nicht, wird zudem auch dem Außerstreitrichter ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt, so dass es sich jeweils um Einzelfallentscheidungen handelt und keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliegt, die der Beantwortung durch den OGH bedarf.

Dimensionierung zum Nachteil anderer Wohnungseigentümer

Im konkreten Fall bestätigte der OGH die Rechtsansicht des Rekursgerichts wonach die Errichtung einer Photovoltaikanlage in der vom Antragsteller geplanten Dimensionierung mit schutzwürdigen Interessen anderer Wohnungseigentümer kollidieren würde.

Die Beeinträchtigung liegt in concreto darin, dass die Errichtung weiterer Photovoltaikanlage durch andere Wohnungseigentümer bzw durch die Eigentümergemeinschaft aufgrund der geplanten Größe nicht mehr in Betracht kommen würde. Dass der Antragsteller das Angebot unterbreitet hat, Überschuss an Strom an die übrigen Wohnungseigentümer abzugeben, hatte keine Auswirkung auf die Entscheidung, da mit einer solchen Überschussabgabe dem Interesse an einer eigenen Photovoltaikanlage bzw einer Gemeinschaftsanlage nicht entsprochen wird.

Keine Entscheidung zur Privilegierung von Photovoltaikanlagen

Da die Zustimmung bereits aufgrund des Vorliegens einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen nicht ersetzt werden kann, kommt es laut OGH nicht mehr auf die Frage an, ob eine privilegierte Maßnahme vorliegt. Ob es sich bei der Errichtung einer Photovoltaikanlage um eine privilegierte Änderung iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG handelt, bleibt sohin auch weiter offen.

Für den gegenständlichen Fall brachte im Übrigen auch die WEG-Novelle 2022, welche die Errichtung von Photovoltaikanlagen und Ladestationen in Wohnungseigentumsobjekten erleichtern sollte, keine Lösung, da sie die Anbringung einer Solaranlage nur bei als Einzel- oder Reihenhäuser errichteten Wohnungseigentumsobjekten erleichtert. Für solche Änderungen ist nicht zwingend eine gerichtliche Genehmigung oder (ausdrückliche) Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer erforderlich. Die Zustimmung gilt vielmehr als erteilt, wenn ein Wohnungseigentümer nicht binnen zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widersprochen hat (Zustimmungsfiktion).

ANSPRECHPARTNER

Stefan Arnold

Stefan Arnold

Stefanie Heimel